Was ist eigentlich das Mikrobiom?

Was ist eigentlich das Mikrobiom - gute Bakterien, von denen man nicht genug haben kann?

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Der Begriff wurde erstmals von Joshua Lederberg (einem amerikanischen Nobelpreisträger) verwendet, der sich mit Bakteriengenetik befasste.

Das Mikrobiom ist die Summe aller Mikroorganismen, die in und auf unserem Körper leben. Bisher hat die Wissenschaft NUR 1% dieser Mikroorganismen identifiziert - das bedeutet, dass 99% unserer Bakterien noch nicht identifiziert wurden! Der Hauptgrund dafür ist, dass die meisten dieser Bakterien in einer sauerstofffreien Umgebung leben, die sich unter Laborbedingungen nur schwer reproduzieren lässt.

Aus Sicht der Bakterien ist unser Körper wie ein Mikrokosmos mit verschiedenen Lebensräumen und Ökosystemen…. wie “Hotels”. Die verschiedenen Bakterien sind gut an ihren Lebensraum angepasst, sei es im Mund, auf der Haut, im Darm oder im Genitalbereich. 

Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 (Science magazine, Lax S et al. Aug 2014, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4337996/) hat jede Familie ein stabiles und einzigartiges Mikrobiom, das sich sogar mit uns bewegt, wenn wir umziehen.

Dieses Mikrobiom (wie eine Sammlung von Bakterienpopulationen) ist so einzigartig wie unsere DNA! Nach etwa 24 Stunden in einem neuen Zuhause ist das neue Heimatmikrobiom nicht mehr vom alten zu unterscheiden. Erstaunlich, oder?

Entsprechend ihrer Beziehung zum menschlichen Körper unterscheiden wir verschiedene Gruppen von Bakterien:

  1. Symbiotische (oder gute) Bakterien, die für unseren Körper nützlich sind

  2. Pathogene (oder böse) Bakterien, die uns schaden können, wenn unser Immunsystem nicht stark genug ist

  3. Begleitende (oder neutrale) Bakterien, die je nach den Bedingungen entweder nützlich oder schädlich sein können

Jeder menschliche Körper ist Heimat für circa 1,5 kg Bakterien!

Warum gibt es aktuell einen solchen Medienhype um das Mikrobiom, Pro- und Präbiotika?

Dies liegt vor allem daran, dass Wissenschaftler erst in den letzten Jahrzehnten entdeckt haben, wie wichtig Bakterien für uns und unsere Gesundheit sind.

Es scheint, dass das Mikrobiom den Stoffwechsel von Fetten und Kohlenhydraten beeinflusst, was z.b. Auswirkungen auf unser Körpergewicht hat.

Unser Immunsystem scheint auch auf komplexe und noch nicht vollständig verstandene Weise mit dem Mikrobiom verbunden zu sein. Vielleicht ist dies die Verbindung, die viele „moderne“ Krankheiten wie Rheuma, Heuschnupfen, Diabetes, Fettleibigkeit, chronische Darminfektionen oder sogar Depressionen mit unseren Haustierbakterien verbindet, die in unserem Verdauungssystem leben.

Die zahlreichen bereits vorliegenden Studien erlauben uns leider nur einen kleinen Einblick in diese Zusammenhänge. Es gibt noch keine klaren Beweise und so verhält es sich ein bisschen wie mit dem Huhn und dem Ei: Es ist nicht klar, ob sich das Mikrobiom als Reaktion auf eine bestimmte Krankheit verändert, oder eine Krankheit aufgrund einer Veränderung unserer Bakterienpopulationen entsteht.

Wie entwickelt sich das Mikrobiom?

Unser Mikrobiom beginnt sich bereits bei der Geburt zu entwickeln. Unmittelbar nach der Geburt ist der Verdauungstrakt des Neugeborenen noch keimfrei. Die ersten Bakterien, die sich im Darm des Neugeborenen ansiedeln, stammen tatsächlich aus der Harnblase und der Vagina der Mutter, wenn das Baby normal/spontan, also nicht per Kaiserschnitt geboren wird.

Wenn das Baby durch Kaiserschnitt zur Welt kommt, sind die Bakterien, die zuerst im Darm des Babys gefunden werden, Bakterien von der Haut ihrer Mutter. Dies bedeutet, dass Kaiserschnitt-Babys ihr Leben mit viel weniger und anderen Bakterien als natürlich geborene Babys beginnen.

 
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In den ersten Wochen und Monaten seines Lebens nimmt das Neugeborene über Muttermilch und Hautkontakt ständig Bakterien von der Mutter auf.

Welche Bedeutung hat das Mikrobiom für unseren Alltag?

Die Medizin nutzt dieses Wissen bereits für das, was wir als „Stuhltransplantation“ bezeichnen. Während dies nicht gerade appetitlich klingt, wird die Behandlung verwendet, um akute Darminfektionen durch das Bakterium Clostidium difficile zu behandeln und ist in über 90 Prozent der Fälle erfolgreich!

Bei der Therapie wird ein Schlauch in den Darm des Patienten eingeführt. Durch diesen Schlauch bekommt der Patient Darmbakterien von einer gesunden Person, die sich dann ansiedeln und vermehren. Auch Colitis ulcerosa (eine chronische Darminfektion) wurde mit dieser Methode bereits erfolgreich behandelt.

Sind nur tote Bakterien = gute Bakterien?

Andere wichtige Faktoren, neben der Art der Geburt, die die Qualität und Vielfalt unserer Haustierbakterien beeinflussen, sind unser Lebensstil und unsere Ernährung.

 
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Der Hype um häusliche Sauberkeit begann in Krankenhäusern, in denen die Desinfektion tatsächlich Sinn machte und sehr wichtig war. Die Desinfektion wurde aber von großen Unternehmen schnell als Konzept entdeckt und leider auch an den Normalverbraucher vermarktet.

Dadurch gelangten desinfizierende Reinigungsmittel dorthin, wo sie eigentlich nicht hingehörten - nämlich zu uns nach Hause. Naja, außer vielleicht nur um die Toilettenschüssel zu reinigen. Heutzutage identifizieren leider viele Menschen Sauberkeit mit dem Geruch von Chlor.

Das Gleiche gilt für unsere Ernährung. Unser Essen hat sich in den letzten 100 Jahren grundlegend verändert. Damals aßen wir Dinge, die direkt von der Erde kamen (abgespült und gekocht). Jetzt werden sie nicht nur geschält und gekocht, sondern auch pasteurisiert, homogenisiert und bestrahlt, um selbst das letzte bemitleidenswerte kleine Bakterium abzutöten. 😓

Als ich noch Kind war, faulten die Tomaten nach ein paar Tagen in der Küche, die Milch wurde schnell sauer und das Brot hatte nach 3 Tagen Schimmel auf der Kruste. Heutzutage scheinen all diese Dinge wochenlang zu halten und enden einfach irgendwie „mumifiziert“ in der Küche, was ich ziemlich verrückt finde.

Es scheint, als würden wir Menschen mit aller Kraft versuchen, so viele Bakterien wie möglich in und um uns herum abzutöten.

Unsere “Waffen” im “Krieg gegen die Bakterien” sind Antibiotika, Desinfektionsmittel, Lebensmittel mit geringem Nährwert, die quasi keimfrei sind.

Unser Lebensstil erschwert die Dinge zusätzlich und lässt nicht viel Kontakt zu unserer Umwelt zu. Wir berühren kaum Tiere, kommen nicht in Kontakt mit Erde und wenn doch, dann schützen wir uns mit Handschuhen oder waschen uns gleich danach die Hände.

Zurück zur Natur, zurück in die Vergangenheit oder wie?

 
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Zunächst müssen wir unsere Mentalität ändern nach dem Motto “Lebe und erlebe Deine Umwelt ohne Angst”! Arbeite mit bloßen Händen in einem (wenn auch kleinen) Garten, gehe barfuß und halte Dir ein Haustier. Widerstehe dem Drang, Dir ständig die Hände zu waschen und zu desinfizieren oder finde zumindest eine milde Seife auf natürlicher Basis. Deine Kinder sollten auch mal im Dreck spielen dürfen, ohne anschließend eine Standpauke wegen der schmutzigen Kleider zu bekommen - es fördert ihre Gesundheit - und Deine!

Früher haben wir Lebensmittel verzehrt, die unser Mikrobiom unterstützten, wie fermentierte Produkte (Gurken, Sauerkraut, Kefir, Bier, Wein, Sauerteig und Käse aus Rohmilch). Probiert es vielleicht mal aus, diese Lebensmittel können sehr lecker sein!

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Du kannst auch versuchen, hoch verarbeitete Lebensmittel aus Eurem Menüplan zu verbannen oder zumindest stark zu reduzieren. Ich denke da z.B. an flauschig weisses, in Plastik verpacktes und zu 85% aus Luft bestehendes Brot… jede kleine Veränderung zählt!

Zu guter Letzt noch ein Wort zu den Antibiotika - nehmt diese bitte wirklich nur, wenn absolut notwendig. Antibiotika sind weitaus seltener notwendig, als wir zu glauben bereit sind. Ein Breitbandantibiotikum tötet Hunderttausende von Bakterien in Deinem Körper ab.

Was ist die “Take-home-message”?

  • Wir und unser Mikrobiom profitieren voneinander.

  • Unsere moderne Ernährung und unser Lebensstil verändern unser Mikrobiom und verursachen möglicherweise chronische, schwer zu behandelnde Krankheiten.

  • Konzentrieren wir uns auf die 99% der guten Bakterien!

  • Vertraue Mutter Natur und verbringen mehr Zeit in ihren schmutzigen, aber gesunden Gefilden!

  • Bei Lebensmitteln geht Qualität über sofortige Verfügbarkeit! Frisches, unverarbeitetes Essen geht über verpacktes Essen und TV-Abendessen, rohes Essen geht über konserviertes und pasteurisiertes Essen und so weiter.

















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